Natur empfinden und Sinne entwickeln
Sanft biegen sich die Gräser im Wind, es raschelt leise und duftet erdig-frisch. Neugierig greift die kleine Sophie nach einem dünnen Halm: fühlt sich zart und weich an; man kann ihn auch ausreißen und wenn die Eltern nicht hinsehen, in den Mund stecken und prima darauf herumkauen.
Mit einem langen grünen Stängel kitzelt Mama Sophies Hals. Papa pfeift darauf sogar lustig quietschende Töne. - Bei einem Familien-Picknick in der Sommerwiese können Babys mit allen Sinnen eine Menge Eindrücke aus ihrer Umwelt sammeln.
Die Fähigkeit, dass bereits Neugeborene ihre Umgebung spielerisch auf allen Sinneskanälen wahrnehmen, ist bereits von Geburt an vorhanden. Das Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen trägt dazu bei, dass Kinder ihre Welt kennen lernen. Jeder Sinnesreiz unterstützt die Entwicklung des Gehirns. Da die einzelnen Sinne jedoch noch nicht vollständig ausgereift sind, ist es wichtig, sie entsprechend zu fördern und anzuregen.
Vor allem das Erleben und Entdecken, die direkten Erfahrungen, die Kinder - angefangen bei den ganz Kleinen bis hin ins jugendliche Alter - in der Natur machen, gelten als wichtiger Impuls für ihre ganzheitlich gesunde Entwicklung und bilden ein wichtiges Fundament für Glücksempfinden und Kreativität.
Droht unseren Kindern Naturentfremdung?
Seit geraumer Zeit warnen Experten – Mediziner und Psychologen sowie Pädagogen und Philosophen - vor einer Naturentfremdung. Von Indoor-Krankheiten, Natur-Defizit-Syndromen, Ökophobie ist unter anderem Rede. Mangelnde Naturerfahrungen können Essstörungen, Depressionen und Ängste begünstigen.
Die Ursachen der wachsenden Naturentfremdung sind komplexer Natur und im Großen und Ganzen Begleiterscheinungen der modernen Zivilisationsgesellschaft. Im Kleinen aber hat jede Familie - als Keimzelle für Reformen und Wertebildung - die Sache ein Stück weit selbst in der Hand.
Gemeinsame Wald und Wiesen-Ausflüge sind angesagt. Die Devise muss lauten: Raus aus der Bude und ab nach draußen! Kinder brauchen Freiräume zum Toben im Garten, in der Wildnis! Auf Bäume klettern, durchs Gebüsch streifen, im Sand matschen – das freie Spiel, von erwachsenen Spielverderbern unkommentiert und ungebremst, ist entscheidend.
Durch Pfützen patschende Kinder brauchen nämlich keine Mütter und Väter, die immer nur besorgt die "schöne, neue Hose" im Auge behalten und sich dann auch noch vor toten Regenwürmern fürchten.
Unser Lesetipp
Mal eben einen Blick drauf werfen? Das genügt Kindern nicht, um Neues zu entdecken. Sie sind mit Leib und Seele dabei, vor allem in der Natur, vor allem im Umgang mit Lebendigem. Und das ist gut so, denn die Natur ist ein wunderbarer Lern- und Lebensort – nicht nur für Kinder.
88 tolle Ideen hat Veronika Straaß in ihrem Buch "Mit Kindern die Natur entdecken: 88 Spiel-Ideen für alle Jahreszeiten" (BLV Buchverlag) zusammengefasst. In jedem der vier Kapitel sind alle vier Jahreszeiten berücksichtigt, finden sich Vorschläge für Jungen und Mädchen vom Kindergartenalter bis zu 12 Jahren. Mit allen Sinnen heißt der erste Schwerpunkt. Dazu gehört der "blinde Osterhase", der im Frühling mit verbundenen Augen eine Schnur entlang tastet und bei jedem Knoten ein Osterei erfühlen darf.
Im zweiten Kapitel geht es darum, in die Haut anderer Lebewesen zu schlüpfen: Bei der Heuschreckenhochzeit im Sommer etwa suchen die Kinder einander nur mit Hilfe der Ohren und erfahren außerdem, wie das Zirpen entsteht.
Im dritten Kapitel, dem "grünen Baumarkt", erforschen Trapper im Herbstwald das schlammige Archiv für Tierspuren, während beim Schwerpunkt Beobachten und Experimentieren im Winter ein Gefrierschrank Marke Eigenbau mit selbst gemachtem Schokoladeneis entsteht – physikalisches Wissen inklusive.
Jede Anregung ist mit Altersangabe, Materialbedarf, Mindestzahl der Kinder und Schwierigkeitsgrad versehen. Schöne Fotos und der persönlich und locker geschriebene Text machen Lust, gleich loszuziehen. Schließlich hat die Autorin – Biologin und Fachjournalistin – alles mit Kindern selbst ausprobiert. Mit Kindern die Natur entdecken motiviert nicht nur, es überzeugt auch: davon, dass Kinder in der Natur zum einen selbstbewusst, vielseitig und aufgeschlossen werden, zum anderen Verständnis entwickeln und lernen, den Lebensraum der Tiere und Pflanzen zu schützen.
(Quelle Bild: iStockphoto)
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