Wie können Sie Ihrem Kind beim Sprechenlernen helfen?
Wir als Eltern sollen viel mit unserem Babys sprechen, das ist bekannt. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen jetzt jedoch, dass Zuhören mindestens genauso wichtig ist. Wer aufmerksam und ernsthaft auf das Gebrabbel seines Kindes reagiert, fördert schon beim Baby die Freude am Kommunizieren:
Betty Hart und Todd Risley begleiteten fast drei Jahre lang 42 amerikanische Familien und zählten, wie viele Wörter die Babys pro Tag zu hören bekommen. Einmal im Monat gingen dafür Mitarbeiter des Forschungsteams zu Familien und filmten eine Stunde lang den Alltag mit Kindern. Das Resultat: Die Babys hörten im Schnitt 1.500 Wörter pro Stunde, jedoch im Detail gab es dabei aber beträchtliche Unterschiede.
Kinder, deren Eltern Hochschulabschluss haben, hörten 2.100 Wörter pro Stunde, während Kinder aus anderen Familien nur durchschnittlich 600 Wörter pro Stunde hörten. Die Kinder aus den gesprächigen Familien waren im Schnitt mit drei Jahren die bessere Sprecher. Sie hatten zusätzlich auch einen höheren IQ als die Kinder aus schweigsameren Familien. Viel oder wenig gesprochene Worte - das machte für die Sprachentwicklung der Kleinen offensichtlich einen großen Unterschied.
Was lernen wir daraus: Sprecht mehr mit euren Kleinen und sie werden klüger. Doch so einfach ist das nicht.
Macht viel Reden Kinder klüger?
Bei genaueren Analysen stellten die Forscher fest, dass es nicht die schiere Masse an Wörtern war, die den Sprachschatz der Kinder formte. In der Langzeitstudie zeigte sich, dass Eltern, die insgesamt mehr sprachen, sich auch häufiger direkt an ihre Kinder richteten.
Zusätzlich fiel auf, dass diese Eltern ihre Sprache mehr aufs Kind abstimmten und variierten. Sie sagten nicht nur Dinge wie "sei still", "heb das auf" oder "wir gehen jetzt raus", sondern unterhielten sich richtig mit den Kleinen - auch mit ihren Babys. Und je mehr sie mit ihnen sprachen, umso zugewandter schienen sie zu sein. Sie lobten deutlich mehr als die schweigsamen Eltern in der Studie, deren Kinder insgesamt weniger direkte Ansprache und etwa doppelt so viel negatives Feedback bekamen.
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Sprechen lernen braucht mehr
Nicht nur die Wortanzahl trug dazu bei, wie klug und redegewandt ein Kind wurde, sondern auch die Weise und der Inhalt der Ansprache. Doch die Wissenschaftler wollten wissen, welche Faktoren zudem von Bedeutung sind. Der Wissenschaftsjournalist Po Bronson fasst in seinem Buch "10 schockierende Wahrheiten über Erziehung" die darauf folgenden Untersuchungen so zusammen: "Einer der Mechanismen, die den kindlichen Spracherwerb unterstützen, hat gar nichts mit der Sprache der Eltern zu tun - er beruht nicht darauf, was ein Kind zu hören bekommt, sondern darauf, was Eltern mit einem liebevollen Streicheln im richtigen Augenblick bewirken können."
Bronson zitiert dafür die Studien der Sprachforscherin Catherine Tamis-LeMonda von der New York University und Professor Michael Goldstein von der Cornell University.
Auf die Sprechversuche reagieren
LeMonda veröffentlichten Langzeitstudie 2001, wie stark die prompte und einfühlsame Reaktion der Eltern das Sprechenlernen beeinflusst. In den Stichprobe war weder entscheidend, wieviel die Mutter zum Kind sagte, noch wie oft sie ein "Gespräch" begann. Das Wichtigste war, wie oft sie auf die Sprechversuche ihres Babys reagierte. Die Unterschiede waren riesig:
Zwei Mädchen im Alter von neun Monaten verstanden jeweils sieben Wörter. Die Mutter des einen Kindes reagierte nur etwa bei der Hälfte der Sprechversuche ihres Kindes. Ihre Tochter lernte bis zum 18. Lebensmonat acht neue Wörter und konnte mit 20 Monaten die ersten Zweiwort-Sätze sagen. Die andere Mutter dagegen reagierte in 85 Prozent der Fälle auf die Sprechversuche ihres Kindes und ihren Sprachschatz bis zum Alter von 18 Monaten wuchs auf 150 Wörter. Zudem sprach sie mit 20 Monaten ganze Sätze, inklusive Vergangenheitsformen. Resumee: Das Gehirn des zweiten Mädchens hatte schon früh erkannt, dass es mit den neuen Lauten Aufmerksamkeit erregen und halten kann. Damit wuchs die Motivation und Lernfortschritt.
Den Sachen einen Namen geben
Doch nicht nur die sofortige Reaktion ist wichtig. Einige Eltern führen ihre Babys unnötig in die Irre darüber, welchen Namen die Dinge haben. Auch Babys müssen richtiggehend Vokabeln lernen, um die Dinge richtig benennen zu können. Wenn das Baby etwas anschaut und dazu brabbelt, sagt die Mutter zum Beispiel "Ja, das ist ein Löffel." Sie hilft ihrem Kind, indem sie ihm sagt, was es gerade anschaut. Doch hier gibt es schnell Missverständnisse. Mancher versucht eher herauszuhören, was ihr Baby gemeint haben könnte und sagen: "Ba? Du meinst den Ball?", obwohl das Baby gerade auf den Löffel geschaut hat. Das Baby sieht also den Löffel und hört "Ball" - es verknüpft das Ding und das Wort falsch und ist später verwirrt, wenn Papa den Löffel auch als solchen bezeichnet.
Andere Eltern versuchen, Babys Augen ständig auf Dinge zu lenken, die es ihrer Meinung nach anschauen soll: "Guck mal, der Ball. Baaalll". Jedoch lernen Babys vor allem durch ihr eigenes Interesse. So zeigen Babys schon in den ersten Lebenswochen durch Blicke, welche Farben oder Dinge sie besonders aufregend finden. Daniel Stern hat für seine Forschungen zum "kompetenten Säugling" diesen Effekt oft beschrieben.
Je besser der Gesprächspartner des Babys auf dessen Interessen eingeht, also benennt, wofür sich das Kind jetzt gerade interessiert, desto schneller lernt es die Namen der Dinge. Und wenn der Partner das "Zwiegespräch" sogar für ein paar Sätze aufrecht erhält, lernt es die Grundlagen der Kommunikation gleich mit: "Bahhbahhbahh" - Oh, dich interessiert der Ball. Gefällt dir der Ball?" - "Gurrrgrrra" - "Ja, er ist bunt ..." - "Bababa" - "Mal schauen, ob wir noch einen roten Ball haben ..." usw.
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Einfühlungsvermögen ist gefragt
Bestätigt werden durch die Ergebniss auch die anfangs erwähnten Forscher Hart und Risley bei der Analyse ihrer Daten. Die "schweigsam" Eltern sprachen nicht nur insgesamt weniger, sie reagierten auch am wenigsten auf das Gebrabbel ihrer Babys, weil sie z.B. mit Haushalt und anderen Kindern beschäftigt waren. Im Jahr 2009 wollte nun eine Forschergruppe an der Universität von Colorado wissen, ob sich die mütterliche Einfühlsamkeit auf das Lernen ihrer Kinder messbar auswirkt. Es ist bekannt, dass Kinder von depressiven Müttern mehr Probleme mit der Kommunikation haben.
Aber woran liegt das? Depressive Mütter sprechen zwar mit weniger Singsang in der Stimme, was sich jedoch nicht negativ auf das Lernen der Kinder auswirkt. Viel wichtiger war jedoch die "emotionale Verfügbarkeit" der Mutter, also wie zuverlässig sie auf das Kommunikationsbedürfnisse des Kindes reagierte. Je weniger Reaktion, desto langsamer die Sprachentwicklung. Das bedeutet, bei positivem Feedback formen Babys einen Laut häufiger und variieren auch mehr. Damit lernen sie die Vielfältigkeit der Lautäußerung.
Kindliche Kommunikation braucht keine Baby-CD
Richtig bleibt, dass Eltern viel mit ihren Kindern sprechen sollten. Doch weder die andauernd laufende Baby-CDs noch abwesende Selbstgespräche können bei der Sprachentwicklung helfen. Die Aufgabe der Eltern besteht auch nicht allein darin, dass das Baby möglichst viele Wörter hört. Für die Kleinen beginnt der Spaß am Sprechen dann, wenn Eltern zuhören und freundlich-interessiert reagieren. Doch auch hier gilt, dass Übereifer schaden kann, denn das Baby kann auch mal ruhig auf ihrem Schoß vor sich hinbrabbeln.
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(Quelle Bild: istockphoto)
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